Kann man eigentlich niemanden mehr trauen? Bisher hatte ich die hiesige Bevölkerung und unsere Bediensteten in Katwa als extrem zuverlässig und ehrlich eingeschätzt. Doch heute morgen, als ich aufgestanden bin, saß Matthias, unser „Mtu ya pori“ (wie sein Nachname „Buschmann“ auf Swahili heißt, was stets für Heiterkeit sorgt, wenn er den Leuten die Bedeutung erkärt) aufgeregt in unserer Sitzecke und erklärte mir bestürzt, dass seine Kamera wohl bei unserem gestrigen Besuch auf dem Markt geklaut worden sein muss.
Er hätte schon das ganze Haus mehrfach durchsucht. Da wir ja zusammen auf dem Markt waren, rekonstruierten wir nochmal alle Schritte und kamen zu demselben Ergebniss, die Kamera musste wohl geklaut worden sein. Das ist weniger ärgerlich wegen der Kamera, als wegen der Fotos, die auf der SD-Karte gespeichert waren. Plötzlich fiel mir ein, dass ich vielleicht auch mal nach meiner Kamera gucken könnte und stellte erschrocken fest, dass diese auch fehlte! Darüber hinaus war auch mein Handy weg. Das musste mehr als Zufall sein, denn ich hatte meine Kamera und das Handy definitiv noch am gestrigen Abend gehabt. Also reduzierte sich die Anzahl der Verdächtigen auf die beiden Nachtwächter, die nachts das Grundstück und das Haus bewachen. Ich war sehr betrübt, denn eigentlich hatte ich ihnen sowas nicht zugetraut. Wir suchten nochmal für knapp 20 Minuten im ganzen Haus nach den fehlenden Geräten, aber fanden nach wie vor nichts. Plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: falls der Täter sich noch in der Nähe des Hauses befände und noch nicht die SIM-Karte gewechselt hätte, könnte man ihn ja durch einen Anruf anhand des Klingelns identifizieren. Gedacht getan, Matthias wählte die Nummer auf seinem Handy, und ließ es klingeln. Tatsächlich hörten wir das vermisste Handy von irgendwoher, konnten die Quelle jedoch nicht sofort identifizieren. Irgendwo in der Umgebung des Hauses musste es sein, oder doch im Haus? Jawohl, das Klingeln kam aus dem Haus, genauer gesagt aus dem Zimmer, in dem Horst noch immer schlief. Auf frischer Tat ertappt, würde ich sagen! Nachdem wir nun wussten, wer der Dieb gewesen ist, entspannten wir uns wieder. Zwei Minuten später schwang Horsts Zimmertür auf, er diffundierte an uns ohne einen Kommentar vorbei in die Küche und materialisierte sich noch schlaftrunken mit einer Flasche Wasser am Hals wieder im Wohnbereich: „Verdammt“, meckerte er, „da hat gerade jemand angerufen, aber ich habe das Handy nicht gefunden.“ Wir stellten ihn zur Rede und nahmen ihn ins Kreuzverhör. „Kann es sein, Herr Schulze, dass sie gestern unsere Kameras und ein Handy illegal mit auf ihr Zimmer genommen habe?“ „Oh, ääähm, ja“, stammelte er, „das könnte sein“. Aha, erwischt! „Sie sind verhaftet, Herr Schulze!“ Matthias und ich waren sichtlich froh, dass es keiner der Angestellten war und die vermissten Sachen wieder aufgetaucht waren. Horst Schulze wird noch heute dem Tribunal vorgeführt!
Nach dem Mittagessen machten wir uns auf den Weg zum Büro des Bürgermeisters, einmal, um ihm die Ehre zu geben und zum anderen, um mit ihm die Details unseres geplanten Besuchs in Tandandale zu besprechen. Leider war der Bürgemeister gerade auswärts, wir wurden daher zu seinem „chef du bureau“ gebracht. Dieser war sichtlich nervös, als wir das Büro mit unserer Entourage betraten, wuchs aber gleichermaßen um mehrere Zentimeter an, um seine Wichtigkeit zu betonen. Nervös zappelte er das ganze Gespräch über mit seinen Armen und Füßen. Beim Aufbau seines Büros muss er sich von Franklin D. Roosevelt inspiriert haben lassen: Er selber saß hinter einen wuchtigen Schreibtisch auf einem Bürostuhl, der so weit hochgefahren war, wie es nur irgendwie ging. Vor dem Schreibtisch stand eine Couch, die so tief war, dass man quasi auf dem Boden saß. Horst erkannte das sofort und setzte sich auf eine Bank am Fenster, so dass er mit dem Bürochef auf Augenhöhe reden konnte. Unsere Absicht war, mit Empfehlung des Bürgermeisters eine Audienz beim Leiter der MONUSCO Truppe in Butembo zu bekommen, um die UN um Begleitschutz für unsere Fahrt nach Tandandale zu bitten, da in diesem Gebiet Rebellenaktivitäten zu verzeichnen sind. Nachdem wir ihn mit Komplimenten überhäuft hatten und unser Anliegen vorgetragen hatten, verkündete er mit vor Stolz geschwollener Brust, dass er sich persönlich sofort um unsere Belange nach Rückkehr des Bürgermeister kümmern werde. Schöne Grüße sollten wir doch bitte an Angela Merkel ausrichten und dem deutschen Volk mitteilen, dass man im Congo nichts anderes wollte als Frieden und die Lage doch gar nicht so schlimm wäre. Dieses haben wir hiermit getan. Wenn jemand die Nummer unserer Bundeskanzlerin hat, möger er oder sie diese Botschaft bitte weiter tragen, achja, und schöne Grüße von uns bitte nicht vergessen!
Anschließend fuhren wir weiter zu Munya-ngulo, der in Butembo einen Maschinenbaubetrieb besitzt, um mit ihm die Details für den geplanten Brückenbau in Tandandale zu verhandeln und eine neue Lehmziegelmaschine für die Wambuti zu kaufen. Bisher haben sich drei Möglichkeiten herauskristallisiert:
1) Zwei aneinandergeschweißte LKW-Chassis bilden die Grundlage und werden möglicherweise durch Bögen an den Seiten durch Dreieckfachwerkbögen stabilisiert.
2) Die Brücke besteht aus zwei dicken H-Trägern (IPE) aus Eisen, wiederum evtl. duch Dreieckfachwerkbögen verstärkt.
3) Die Brücke besteht aus gegossenem Beton, der auf Pfeilern am Ufer aufgelegt wird, um die 9m über den Biena zu überspannen.
Wenn sich jemand mit Brückenbau auskennt, hätten wir folgende Bitte:
Wir brauchen dringend eine Statik und eine Fertigungszeichnung, diese Dinge sind hier aufgrund der Umstände schwer zu realisieren, wie wir jetzt herausgefunden haben. Die Brücke müsste ein Gesamtgewicht von 6 Tonnen tragen können. Bei Interesse stellen wir natürlich weitere Daten und Fotos der Situation vor Ort zur Verfügung, Kontakt unter unterwegs(at)tandandale.de. Asante Sana – vielen Dank schonmal!
Hello Ingo!
I am Alain from Goma and I’m student at ULPGL.
I want to know if you are you still at Katwa and when you will return at Goma!
Can’t you remind me once again your e-mail adress?
Thank you and i’m very happy to writte you!