Die Zeit in Katwa ist so schnell vorüber gegangen. Wie Horst ja in seinem Blog geschrieben hat, war ich zwei Tage wegen Fieber und Übelkeit ausgeschaltet. Unsere Entourage tippte sofort auf Malaria, was ich mir eigentlich nicht vorstellen konnte, da ich erstens regelmäßig die Prophylaxe eingenommen habe, zweitens die Anzahl der Mücken hier nicht besonders hoch ist und drittens, weil wir alle drei immer zur selben Zeit Magensverstimmung hatten, wenn auch in unterschiedlicher Stärke. Zur Sicherheit haben wir dann trotzdem im lokalen Siechenhaus (Krankenhaus wäre zu positiv für diesen Ort!) einen Test machen lassen. Bei mir war alles im Lot, das Ergebnis war negativ, bei Horst leider nicht. Die Vermutung ist allerdings, dass die Infektion auf einer seiner letzten Afrika-Reisen aufgetreten sein muss. Zum Glück sind die Medikamente hier (für uns) nicht teuer, so dass es auch Horst wieder besser geht. Auch Matthias hat sich nach einer eintägigen Auszeit wieder besser gefühlt und ist nun wieder fit.
Die Pygmäen sind mittlerweile wieder nach Hause zurück gekehrt. Auch wenn ich wegen meiner Unpässlichkeit einiges davon verpasst habe, war es eine spannende Sache, für ein paar Tage mit Pygmäen unter einem Dach zu wohnen. Romain, mein treuer Fotoschüler hat ziemlich gute Aufnahmen aus Tandandale mitgebracht und nutzt mittlerweile überhaupt jede Gelegenheit, Fotos zu schießen. Und da sage noch einer, es wären nur die Weißen, die hier immer als Paparazzi aufreten! Beim Essen scheiden sich die Geister, während die Pygmäen ihren Maniokbrei heiß und innig lieben und mit Inbrunst schmatzend in Soße getaucht genießen, könnte ich mir eher eine Verwendung als Tapetenkleister dafür vorstellen. Auch kann ihnen das Fleisch gar nicht schwarz genug gebraten sein. Man isst gemeinsam aus einer riesigen Schüssel, bevorzugt mit den Händen. Wofür sind Hände auch sonst da? Mal ehrlich, wir Weißen sind doch komisch, dass wir so merkwürdige Hilfsmittel brauchen, um Nahrung aufzunehmen! Ansonsten hält man es mit Leibesgeräuschen beim Essen frei nach Martin Luther.
Jeden Morgen, während wir noch beim Frühstück sitzen, stehen schon Leute draußen auf dem Hof, die uns ihre Projekte vorstellen möchten und auf finanzielle Beteiligung oder Unterstützung hoffen. Horst hat teilweise fünf verschiedene Leute hier herumsitzen, die über das Haus und den Hof verteilt sind und zwischen denen er hin- und her rotiert, um sich ihre Vorschläge anzuhören und um Ratschläge zu geben. Ein Top-Manager hat weniger zu tun als Horst hier. Matthias und ich versuchen ihn dabei zu unterstützen, indem wir alle anderen anliegenden Arbeiten erledigen. Damit sind wir auch ganz schön ausgelastet, aber es macht Spaß und viel Freude, da man sieht, dass die Samen, die Horst hier schon vor vielen Jahren gepflanzt hat, aufgegangen sind und mittlerweile reichhaltige Früchte tragen. Den Leuten dabei zu helfen, sich selbst zu helfen ist einfach die beste Möglichkeit, nachhaltige Entwicklung zu fordern und zu fördern. Wir treffen viele seiner ehemaligen Schüler, die es heute zu etwas gebracht haben und damit ihrem Land und den Leuten hier wiederum helfen können. Die Leute hier zu unterstützen lohnt sich, wenn man es richtig anfängt und ist kein Fass ohne Boden, wie man bei uns in Europa gerne denkt. Die Entwicklungen brauchen halt Zeit, ein bis zwei Generationen, bis sich neue Ideen und Gedanken durchgesetzt haben. Mit kurzfristigen Engagements, mit denen sich unsere Politik in Deutschland gerne brüstet, ist es aber nicht getan. Man muss Beziehungen knüpfen und lokale Netzwerke aufbauen, Vertrauensarbeit leisten. Das kommt bei den großen NGOs leider otf zu kurz. Rein, Projekt erledigen und wieder raus. Dass sich die Erfolge langfristig nicht einstellen werden bei so einer Strategie, kann man sich vielleicht gut vorstellen. Man braucht Leute mit einem Herz für Afrika!
Ein Herz für Europa hingegen scheint Uleda, die Tandandale Projektsekretärin, entwickelt zu haben, zumindest in kulinarischer Hinsicht. Sie schwärmte uns die ganzen Tage vor, wie gut ihr meine improvisierte Pizza geschmeckt hatte. Gestern hatte sie uns dann ins „Centre d’Accueil de Ruwenzori“ eingeladen, einem Restaurant mit einer fantastischen Lage an einem der sanften Hügel im Norden Butembos. Das Ambiente war derart, dass man sich fast wie in den Tropen vorkam! Holzarchitektur mit afrikanischen Strohdächern machten einen fast glauben, dass man sich mitten in Afrika befindet! Eine perfekte Illusion^^ Bestellt hatte sie ein Buffet mit europäischer Küche… Unter anderem Kartoffelsalat mit Spaghetti Bolognese, oder dem afrikanischen Verwandten davon, und natürlich… Pizza! Nachdem ich meinen ersten Versuch, das Stück Pizza mit den mir von Mutter Natur geschenkten oralen Zerkleinerungswerkzeugen zu bearbeiten, mangels fehlender Erfolgsaussichten abbrechen musste, wurde mir klar, dass man wohl vor Uledas Bestellung hier noch nie etwas von „Pizza“ gehört hatte. Auf dem Pizza-Gneisuntergrund ereignete sich eine ansatzweise an Tomatensoße erinnernde Schicht, die geologisch vermutlich dem frühen Pleistozäen zuzuordnen ist. Darüber meine ich eine Schicht von Asche erkannt zu haben, die man dem großen Yucatan-Meteoriteneinschlag zuordnen kann, der vermutlich für das Aussterben der Dinosaurier verantwortlich gewesen war, es könnten aber auch Gewürze gewesen sein, die Radiokarbondatierung steht schließlich noch aus. Als Sediment fand man obenauf eine Schicht von geriebenem Lehmkäse, der die darunter liegenden Schichten luftdicht abschloss. Das darauf liegende Viertelei ist vermutlich ein Findling, der entweder durch plattentektonische Prozesse oder durch die letzte Eiszeit dorthin bewegt wurde und mittlerweile versteinert ist. Bewundernd legte ich das Stück Erdgeschichte zur Seite und denke, dass es in einem Museum zur Erdgeschichte besser aufgehoben ist als auf meinem Teller.
Morgen geht es dann wieder mit dem Flugzeug zurück nach Goma und von dort mit dem Schnellboot weiter in Richtung Bukavu. Unsere Tickets haben wir mittlerweile. Nicht wirklich ermutigend sind die Berichte, dass es in Goma einen Flugzeugabsturz im Landeanflug auf den Flughafen sowie einen Absturz eines UN-Helikopters über Goma gegeben hat. Sei’s drum, eine andere Wahl haben wir nicht wirklich. Die Rebellenaktivitäten um Butembo haben sich in den letzten Tagen vermehrt, was sich unter anderem in dem seit mittlerweile vier Tagen nicht mehr funktionierendem Internet äußert. Eine Fahrt mit dem Auto ist daher ausgeschlossen. Die nächste Meldung kommt dann erst wieder aus Bukavu, sofern wir dort einen funktionierenden Internetzugang finden.