Die größten Barrieren zwischen zwei Leuten sind eigentlich die ganz normalen Sachen. Das was man kennt und als selbstverständlich voraussetzt wird nämlich bei dem anderen unter Umständen ganz anders verstanden.
Wie groß ist z.B. ein halbes Blech?
In Tandandale soll ein Schild stehen, das auf die Brücke hinweist, so ungefähr DIN A2, vielleicht ein bisschen Größer. Der Text stand auch nach einigen Änderungen fest: Matthäus-Brücke, errichtet von der Wambuti-Gemeinschaft Senga (Tandandale) für die Bevölkerung. Und dann die Mitwirkenden, die den Brückenbau unterstützt haben. (Für die Brückenpaten, gibt es ein gesondertes Schild direkt auf der Brücke. Noch sind Plätze frei, denke ich.)
Und dann kam Heri, der Architekt und Salita, der Maler, mit denen ich die Einzelheiten besprach. Hin und her ging es, bis man sich schließlich auf die halbe Größe einigte, also ein halbes Blech, das ungefähr die gewünschen Maße besitzt.
Dann, nach einigen Tagen wollte ich das Schild abholen. Dazu schickte uns Anicet, ein befreundeter Kaufmann und ehemaliger Spielkamerad meines Sohnes einen seiner Wagen, einen einfachen PKW. Das ist in Butembo völlig ausreichend, nur bei manchen Bodenwellen setzen solche Autos auf.
Für 9:20 Uhr erwartete uns Kamungele, einer der einflussreichsten Männer in Butembo. Doch so schnell kamen wir nicht los.
Früh morgens um 7 hatte ich einen Schnellkurs in Buchführung mit Romain abgehalten und auch das Haushaltsbuch von Julienne kontrolliert, vor allem darauf hin, ob es verständlich geführt wurde. Nun, das war es nicht ganz, denn Julienne hatte zwei Spalten verwechselt und den Text in die enge Spalte Recette gepresst, weil sie ja die Dinge auf dem Markt erhalten – recu – hatte. Und dann war da noch die Umrechnung in Franc congolais, mit 920 FC für einen Dollar. Alles was unter 5 Dollar kostet, wird hier in FC berechnet, so dass die Kasse eigentlich nie richtig stimmt. Uleda erklärte es mir bei der Überweisung. Sieh, hier sind 3456,77$ gekommen und beim nächsten Eintrag hat man die ,77 einfach weggelassen. Das macht man hier so. Aha!
Romain hat sich ganz gut geschlagen. Wenn die Frauen Kleidung produziert haben und ins Lager bringen, ist das dann ein Eingang oder ein Ausgang. Und wie wird die Kasse davon beeinflusst? Romains Kopf rauchte, aber mit etwas Hilfe hat er es hinbekommen. Dennoch wird Uleda noch viel Spaß an seinen Finanzberichten haben.
Und dann kam Joade mit dem Auto und gleichzeitig noch einige Leute, die eine dringende Frage hatten. Darunter auch Pastor Melissa, der sein Gehalt holen wollte. Ich hatte noch meine Sachen zum Aufladen zu verteilen und flitzte hin und her. Dann war ich fertig, aber Uleda meinte: „Julienne hat gerade den Maniokbrei fertig für das Frühstück. Den können wir doch nicht stehen lassen!“ Und so war es schon nach 10 Uhr, als wir endlich los kamen. Kurz darauf rief auch Kamungele schon bei Joade an: „Wir sind noch unterwegs. Wir sind bei Njiapanda! Naja, Njiapanda heißt Abzweigung und wir waren tatsächlich an einer Abzweigung, aber noch nicht bei der, die eigentlich diesen Namen trägt.
Unser Chauffeur gab Gas. Mit Höchstgeschwindigkeit bretterte er über die Straße und umkurvte die Schlaglöcher. Immer wieder übersprand die Nadel die 30 kmh und einmal ging es sogar bis auf 50 kmh hinauf! Dann kam in Butembo die erste Ampel, bzw. der Polizist, der gerade den Weg für den Querverkehr freigegeben hatte, als unser Chauffeur an einem links abbiegenden Kleinlaster rechts vorbei über die Kreuzung bretterte. Naja, dort konnte man eh nur so 20 kmh fahren, so dass die Leute genug Zeit hatten, um zur Seite zu springen. Der Polizist pfiff wütend auf seiner Trillerpfeife und ich schämte mich.
Bei Kamungele gab es die erste Portion von etwas mehr. Das Gespräch zog sich hin und er bekam kein Ende. Wir erzählten von den Wambuti und dann durften sie auch hinein. Melissa erzählte und Kamungele gab gute Ratschläge. Melissa wurde erst ganz zum Schluss klar, dass dies Kamungele war und er riss die Augen auf. Dass er hier in diesem Büro sitzen durfte!
Jetzt ging es hin und her, um noch einige Sachen zu besorgen und vor allem auch Geld abzuheben, denn die Kasse ist leer. Schließlich saßen wir bei Anicet in seinem winzigen Büro, was vor allem an den 4 Computern, Druckern und verschiedener Hardware lag, die sich dort befand. Es war gerade noch Platz für uns drei, aber Hinsetzen konnten wir uns erst, nachdem wir die Tür geschlossen hatten.
„Made in Germany!“, meinte Anicet. „Qualitätsware. Die Leute hier haben die Schnauze voll von den billigen China-Artikeln, die meist schnell wieder kaputt gehen. Besorg mir so was.“ Tatsächlich ist es so, dass die Ware, die die Qualitätskriterien für den deutschen Markt nicht erfüllt, nach Afrika verkauft wird. Das ist zwar billig, wie mein Multimeter, dass in Deutschland 70 Euro kostet, doch es zeigt auch etwas zu viel an. Naja, dafür nur 3 Dollar. Für das was ich mache reichts, doch wer es ständig braucht, ärgert sich.
Dann hatten wir alles abgearbeitet und ich freute mich schon auf die Heimfahrt, da meinte Joade: „Ich zeige dir noch mein Büro.“ Sie hatte ein Lokal mit einigen Computern bestückt, zwei Druckern und im Nebenraum noch einige Schneidemaschinen und ein Großdrucker. Nur ein Netzwerk fehlte. Kurze Zeit später trafen wir auf der Straße den Mann, der solche Sachen hier einrichtet, einen katholischen Priester. Er konnte uns schnell und Kompetent Auskunft geben, wa da so im Angebot wäre.
Aber wie gesagt, darf es auch etwas mehr sein?
In dem Restaurant, das wir uns zum Essen ausgesucht hatten (Natürlich von einem Bekannte betrieben) war gerade eine Hochzeit mit der üblichen lauten Musik, so dass wir drinnen sitzen mussten. Und da man uns den dort vorhandenen Fernsehsender mit dem Musikprogramm auch schön präsentieren wollte, machte man die Lautstärke dann auch ein wenig höher. So mischte sie sich mit der Musik von draußen und das wurde dann wirklich grausig.
Endlich waren wir fertig und auf dem Nachhauseweg, da fiel es mir siedend heiß ein: Wir wollten ja das Schild abholen! Also noch einmal in die Innenstatt zu der Werkstatt von Salita. doch die Abzweigung dorthin war mit einem Graben abgetrennt, den ein größeres Auto zwar ohne Probleme passieren konnte, aber unser PKW nicht. So gingen wir die letzten Meter zu Fuß. Das ist in Butembo ein einfachers Unterfangen als in Goma. Hier gibt es keine Leute, die einen anbetteln. Die Passanten werfen einen neugierigen Blick auf einen und eilen weiter. Jeder hat hier etwas zu tun und niemand lungert herum. Man muss sich zwar auch hier vor Taschendieben in acht nehmen, aber bei weitem nicht so wie in Goma.
Und dann sah ich die Tafel. Als ich mich später bei Heri beschwerte, meinte er: „Ach du meintest ein Viertel Blech! Warum hast du das denn nicht gesagt! Nun haben wir eine Tafel von ca 1,5m im Quadrat – darf es etwas mehr sein. Sie ist schön geschrieben, bis auf einen Fehler, der aber nicht so schnell bemerkt wird.
Freudig nahm Salita die letze Rate entgegen und dann stand ich da mit dem Schild. Wie soll man das nach Katwa bekommen? „Kein Problem!“, meinte Uleda. „Wir schicken das mit einem Taximan, der es auf seinem Motorrad dorthinschafft. „Das geht nicht!“, meinte ich, doch keiner nahm mich ernst. Dann kam ein Taximan und faszineirt beobachtete ich, wie die Tafel quer auf seinem Sitz befestigt wurde, er sich dann auf das Ende setzte und losfuhr. Wir fuhren dann hinterher und auf halber Strecke überholten wir ihn. Als er in Katwa ankam erhielt er einen Dollar. Naja, so ein Motorrad kostet hier auch nur so 600-900 Dollar. Ich wollte mir schon eines kaufen, doch Uleda war dagegen. (Man beachte meinen Blog zur Monogamie – auch zum Thema ‚Darf es auch etwas mehr sein?‘ passend.)
Ja, darf es etwas mehr sein? Ich hatte genug. Ich drückte Julienne und Uleda noch etwas Kleingeld in die Hand für ein Motorrad nach hause und fiel dann totmüde ins Bett.