12.-15. Tag: Katwa – Moments Africains (Ingo)

rps20130311_110723_0Die letzten Tage sind schnell vergangen, wir hatten aber auch eine Menge zu tun und haben viel gearbeitet. Daher sind wir auch nicht dazu gekommen, regelmäßig an den Blogs weiter zu schreiben. Aber da wir ja nicht mit technischen Deteils langweilen wollen, habe ich eine Zusammenfassung der letzten Tage geschrieben mit den interessantesten Ereignissen. Uns geht es hier nach wie vor gut und wir freuen uns über jegliche Kommentare zu unseren Blogs. Danke auch schon für die vielen Rückmeldungen! Wir nehmen sie zur Kenntnis, können aber nur schwer darauf antworten, da es schwierig ist, eine Internetverbindung zu bekommen. Momentan läuft alles über unsere Mobiltelefone. Das ist relativ teuer und der Datendurchsatz ist gähnend langsam. Wir schicken daher die Texte und Fotos nach Deutschland und lassen sie von dort aus einstellen. Das spart uns viel Zeit und Nerven, denn mit einfachsten Computertätigkeiten ist man hier Stunden lang beschäftigt.

Ich muss ja zugeben, Afrika hat mich ganz schön in den Bann gezogen. Vieles hier ist neu und fremd, aber an die meisten Dinge habe ich mich wirklich schnell gewöhnt. Beispielsweise habe ich mich daran gewöhnt, dass das alltägliche Leben hier in Katwa sehr fremdbestimmt ist. Man kann halt arbeiten, solange die Sonne scheint, abends wird es schwierig mit Strom. Der Tag  geht von 6:00 Uhr bis 18:00 Uhr, alles darüber hinaus nur mit Generator oder Akkus. Man duscht halt dann, wenn es warmes Wasser gibt und isst, wenn das Essen fertig ist, wann auch immer das sein mag. Toll ist es auch, wenn man morgens einfach vor das Haus geht und sich aussucht, welche Früchte man gerne zum Frühstück haben will: Papaya? Avocado? Maracuja? Banane? Oder doch lieber Guave? Gewöhnt habe ich mich auch daran, dass man morgens von den Vögeln und dem Krähen eines Hahns geweckt wird und eine Henne mit ihren Küken erst durch die Küche und dann langsam Richtung Frühstückstisch marschiert, um die Reste unserer Krümel vom Boden aufzupicken. Warmes Essen gibt es nur dann, wenn der Holzofen auch rechtzeitig befeuert wurde. Überhaupt kein Problem und schon fast normal ist es, dass man anfängt zu tuscheln und immer wieder das Wort „Mzungu“ geflüstert wird, wenn wir irgendwo auftauchen. Wenn wir noch die Zeit haben, lassen wir uns T-Shirts machen mit der Aufschrift „Mimi ni mzungu, na wewe?“ – „Ich bin Weißer, und du?“ C’est la vie africaine!

Es gibt aber auch ein paar Dinge, an die ich mich nicht so gewöhnen kann. Mittlerweile haben wir einen ganzen Zoo auf dem Hof, eine Ziege und mehrere Hühner und Hähne gab es schon als Geschenk. Dass eines der Hühner dann abends nicht mehr da war und auf einmal im Topf auf dem Tisch serviert wurde, fand ich extrem gewöhnungsbedürftig. Die Ehre, die Ziege zu schlachten, wenn die Pygmäen für das Wirtschafts-Seminar zu uns nach Katwa kommen, habe ich dankend abgelehnt. Ich weiß jedoch jetzt schon, dass ich an dem Abend kein Fleisch essen werde. Auch wenn das hier normal ist, ich kann kein Tier essen, dem ich vorher in die Augen geschaut und das ich gestreichelt habe. Aber ich fürchte, auch meine Ersatzkaninchen hier vor Ort werden nicht eines natürlichen Todes sterben.

rps20130306_103845_0Was mir auch noch sehr schwer fällt, ist die Tatsache, dass ein normaler Einkauf auch gerne mal einen ganzen Tag dauern kann. Zunächst sind die Wege recht weit und man verbringt eine Menge Zeit auf den buckligen Schotterpisten. Anschließend ist man rot von dem feinen Staub, der durch die Autos und Motorräder aufgewirbelt wird. Wenn man etwas korrekt erledigt haben will, muss man am besten persönlich mit den Leuten sprechen. Das heißt schonmal Zeit mitbringen. Beim Einkaufen dauert auch alles etwas länger. Gerade der Vorgang, Rechnungen zu schreiben, wird hier förmlich zelebriert! Natürlich darf auch der obligatorische Stempel, oder besser sofort mehrere, nicht fehlen. Ich versuche, den gesamten Vorgang mal am Beispiel eines kleinen Straßenladens in Butembo zu verdeutlichen, bei dem wir öfter einkaufen. Auf der Einkaufsliste stehen: Tee, Pfeffer, Saft und Kekse. Der geneigte Leser mag sich nun mit mir in Gedanken in den kleinen Raum begeben, hinter der Theke stehen vier Angestellte, die einen freundlich anlächeln. „Ich hätte gerne Tee und…“ „Moment bitte!“ Einer der vier zockelt los und holt in Zeitlupe eine Leiter, lehnt diese an das Regal und steigt hoch. „Diesen hier?“ „Nein, den anderen“ Also steigt er wieder gemächlich von der Leiter herab, verschiebt die Leiter 3 cm nach rechts, nur um diese anschließend dann wieder zu besteigen und den Tee herunter zu holen, den man auch mit einem Griff nach rechts hätte erreichen können. „Dann hätte ich noch gerne…“ „Moment!“ Er geht zur Theke, öffnet ein großes Buch, notiert die Ware und den Preis auf einer Seite mit mehreren Durchschlägen. Die Quittung wird dann feinsäuberlich ausgerissen, die Durchschläge nach Farbe sortiert, ein Durchschlag wird mir in die Hand gedrückt. Danach wird der Tee wieder mit Hilfe der Leiter in das Regal zurück gestellt. Auf meinen verwunderten Blick hin klärt man mich darüber auf, dass ich erst bezahlen müsse, bevor ich den Tee bekomme. Da ich noch drei weitere Artikel kaufen will, überkommt mich eine düstere Vorahnung. „Ich möchte bitte noch Pfeffer und…“ „Moment, welchen, den da?“ „Ja!“ Leiter nehmen, verschieben, hoch, wieder runter, Quittung schreiben, zurückstellen. Das ganze noch zweimal *stöhn* und die drei anderen schauen in aller Seelenruhe zu, man hat halt Zeit! Danach habe ich vier Quittungen in der Hand, drehe mich nach rechts zur Kasse, die in einem kleinen Häuschen innerhalb des Ladens untergebracht ist. Hinter der Kassiererin hängt ein Kalender mit Bildern des getöteten Osama bin Laden, sehr geschmackvoll, danke! Ich bezahle (zum Glück alles zusammen) und bekomme den ersten Stempel auf meine vier Quittungen. Drehe mich wieder nach links und gebe die Quittungen ab, man prüft die Stempel, obwohl man ja gesehen hat, dass ich gerade zur Zufriedenheit der Kassiererin bezahlt habe, und holt die Waren wieder aus den Regalen, genau, alle vier natürlich einzeln! Jeder Ware wird mit einem weiteren Stempel die Prüfung und Richtigkeit der Prüfung bescheinigt. Anschließend bekomme ich die Waren endlich ausgehändigt und natürlich die gestempelten Quittungen. Beim Verlassen des Ladens werde ich angehalten, man will meinen Einkauf noch einmal prüfen. Zwei Frauen, die ich beim Hineingehen nicht wahrgenommen hatte, sitzen vor dem Eingang, natürlich mit Stempel und Stempelkissen bewaffnet. Ich hätte ja in dem 6 Quadratmeter großen Laden, wo ich von fünf Augenpaaren beobachtet wurde, schließlich auch was klauen können! Die Waren werden also wieder ausgepackt, mit den Quittungen verglichen und die erneute Prüfung in ein Buch eingetragen und mit einem weiteren Stempel bestätigt. Bevor noch jemand die Prüfung der geprüften Prüfung prüfen kann, springe ich schnell in den Wagen, damit wir weiter können. Wir haben noch eine Verabredung mit einem Künstler, der Stempel herstellt…

rps20130306_103531_0Ein Highlight war für mich, als wir Romain, einen der Pygmäen, am Sonntag nach Katwa haben kommen lassen, um mit ihm einen Crashkurs in Fotografie zu machen. Romain ist 29 und ist knapp an einem Abschluss der sechsten Klasse in Tandandale vorbei geschrammt. Er ist einer der hellsten Köpfe, die die Wambuti habe. Das merkt man, wenn man ihm redet. Überhaupt war das sehr spannend, wann hat man schonmal die Gelegenheit, sich einen ganzen Abend mit jemandem zu unterhalten, der seit frühester Kindheit gelernt hat, mit Lanze und Pfeil und Bogen zu jagen? Das war extrem spannend. Genauso gespannt war ich am nächsten Morgen, als ich ihm beigebracht habe, wie man Fotos macht. Auch wenn Horst die ganze Zeit nervös herumgerannt ist und in einer Denkblase über seinem Kopf zu lesen war: „Mach das doch nicht so kompliziert!!!“, Romain hat die Theorie super verstanden und anschließend zu meiner Zufriedenheit in der Praxis angewendet. Ich freue mich schon auf die Fotos, die wir aus Zeitgründen nicht mehr selber machen konnten und die er aus Tandandale mitbringen wird. Ich denke, in den nächste Tagen wird es eine Kostprobe davon geben.

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Eine Antwort zu 12.-15. Tag: Katwa – Moments Africains (Ingo)

  1. Edzard Rohland sagt:

    Ich verfolge Eure Reise weiter so, als wäre ich selbst dabei. Allerdings wundere ich mich etwas über die Einschätzung der großen NGOs. Die Welthungerhilfe ist seit 1997 ununterbrochen im Kivu tätig – von wegen rein und wieder raus. Und die Einschätzung des Krankenhauses scheint mir auch eher aus typisch westlichem Überlegenheitsgefühl heraus erfolgt zu sein. Eine VEM-Spezialistin war kürzlich da und war positiv angetan. Aber: Weiter gute Reise!

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