22. Die Geschichte der Hebamme Butaona

Die Hebamme Butaona

Die Gesundheitszentren mit Entbindungs­stationen, in denen heute die Mütter entbinden, sind eine seltsame Neuheit.

Männer, die sich Ärzte nennen, entblößen, ohne sich zu , die Nacktheit unserer Töchter. In unserer Tradition ist die Entbindung eine Sache der Frau, kein Mann würde es wagen, sie zu berühren, geschweige denn, eine nackte Frau zu betrachten, es sei denn seine eigene. Heute ist der Voyeurismus allgemein akzeptiert. Die Krankenschwestern ziehen unsere Frauen aus, berühren ihre Bäuche und betrachten ihre Scham. Ein Kranken­pfleger hat sogar seine Finger mit Hand­schuhen in eine Frau eingeführt, die in unserem Dorf wohnt und von der ich den Namen nicht nennen möchte. Sie ließ es geschehen, welch ein Unglück! Zu unserer Zeit waren selbst die Brüste nicht bedeckt, aber ein Mann durfte nur die seiner Frau berühren.

Meine Nichte starb vor einigen Jahren, nachdem sie im Krankenhaus allen Arten von sexuellen Belästigungen ausgesetzt war : Abtasten, Injektionen, chirurgischen Eingriffen usw. Trotz allem ist sie gestorben. Ich selbst habe niemals eine Gebärenden verloren, der ich geholfen hatte, auch nicht ihr Kind. Ich erinnere mich, dass meine Mutter mir von einigen Fällen einer Fehlgeburt erzählt hat, aber dafür gab es immer gute Gründe. In solchen Fällen zieht man sofort um, um zu vermeiden in der Nähe der Geister der Toten zu leben. Aber heute hat die Gesellschaft Wohnviertel für die Toten eingerichtet, Friedhöfe. Welch ein Unglück!

Wenn eine Person stirbt, wird sie automatisch sehr mächtig.Wer kann sich ihr widersetzen, wenn selbst ein totes Baby entscheiden kann, seine Mutter ins Totenreich nachzuholen. Die Geister der Toten sind oft eifersüchtig darüber, dass sie uns essen sehen. Deshalb haben wir ersten Bürger die Gewohnheit, den Körper zu begraben und den Ort zu verlassen, sobald der Tod definitiv festgestellt wurde. Wer weiß denn, ob nicht die Gewohnheit, die Toten nahe des Dorfs zu begraben, die Todesrate steigen lässt ?

Ein Unglück ist auch folgendes : Nach einer Fehlgeburt am Morgen in einem Lager haben unsere Vorfahren ihr neues Lager einen Tagesmarsch entfernt neu aufgeschlagen. Sie verbringen den ganzen Tag, ohne zu essen, wenn das heute ist. Aber wäh­rend ihrer Flucht haben die Vorfahren nicht schlecht von den wilden Früchten gegessen und Pilze und Raupen ge­sammelt. Während dann die Frauen die Hütten aufstellten, sind die Männer an den Fluss gegangen, um mit Käschern Fische zu fangen. Sie konnten sich also meist satt essen, bevor sie schlafen gingen.

Dann geschieht das Unglück, dass die Frau, die die Fehlgeburt hatte, in der Nacht auch stirbt. Das stellt man dann am frühen Morgen fest. Das neue Lager muss dann ebenfalls verlassen werden und unsere Vorfahren mussten dieses Mal in absolutem Schweigen gehen, ohne nach Links oder Rechts zu blicken. So konnten sie sicher sein, dass die Geister weit zurück blieben.

Nur an diesem Tag dann blieben unsere Vorfahren einen Tag ohne Essen, wegen der Trauer, ein Familienmitglied verloren zu haben und der Angst, die die Geister verbreiteten.

Also, kommen wir doch bitte zum Thema zurück. Wie geht also eine Entbindung von statten ?

Normalerweise ist das ein Geheimnis der Frauen. Wenn ich dir davon erzähle, dann solltest du wissen, dass du mir ein gutes Trinkgeld schuldest.

In der Zeit unserer Vorfahren war die Entbindung eine Initiation als Erwachsene. Deshalb bemühte sich jede Frau, möglichst früh zu gebären, um Hänseleien zu entgehen. Sie musste dieses Leiden ertragen und mit Mut durchstehen, um nicht ihren Platz in der Gesellschaft zu verlieren.

Selbst die Erstgebärenden entbanden ohne Schwierigkeiten. Ich selbst habe nie eine Frau in den Armen gehalten, die einen halben Tag in Wehen lag, ein kurzer Moment genügte.

Was alt war denn die jüngste Erstgebärende, der Sie geholfen hatten ?

Das weiß ich nicht. Alle Frauen haben jung geheiratet zu unserer Zeit. Alle Männer waren verantwortungsvoll genug, um früh zu heiraten, nur die geistig zurück Gebliebenen, teils weil sie keinen Partner fanden, teils weil sie Junggesellen bleiben wollten. Aber da es genug Männer wie Frauen gab, konnten alle Frauen früh heiraten.

Also die jungen verheirateten Frauen, hatten sie ungefähr das Alter von Rebecca ?

Du weißt doch nicht, ob Rebecca nicht schon ziemlich alt war. Zu unserer Zeit reichte es, dass ein Mädchen eine gewisses Gewicht hatte, die Brüste groß genug waren. das Becken genug entwickelt war und die Regel wiederkam. Das machte sie dann den Jungen durch Zeichen der Annäherung klar, also herumtänzeln, anschmiegen, Hände klatschen, Augen verdrehen usw.

Woher wissen Sie, wann der Zeitpunkt der Geburt gekommen ist ? Wie geht die Geburt dann vor sich ?

Jede Frau weiß das von selbst. Tatsächlich waren die Frauen stark, in der Mehrheit der Fälle. Sie warteten auf den Tag der Entbindung und verrichteten währenddessen alle Arbeiten einer Frau. Stärkere und regelmäßigere Wehen signalisieren dann, dass die Geburt bevorsteht. Die Frau muss sich dann in ihrer Hütte hinlegen und eine andere Erwachsene in der Umgebung informieren. Diese Person muss dann wiederum die Hebamme informieren. Die hat dann die Verpflichtung alle ihre Arbeiten liegen zu lassen, um der Gebärenden zu helfen.

Sobald man bemerkt, dass die Fruchtblase geplatzt ist, richtet sich die Gebärende auf und setzt sich auf frische Blätter von Bananen oder Mangubili. Die Hebamme nimmt die gleiche Position hinter ihr ein, die Arme um den Bauch. So kann sie einen sanften Druck ausüben, manchmal auch etwas fester, um zu helfen, das Baby herauszutreiben. Sobald das Neugeborene auf den frischen Blättern landet, schneidet die Hebamme die Nabelschnur mit Schilfrinde oder einem anderen scharfen Objekt durch.

Welche Hilfen geben Sie der Gebärenden nach der Entbindung ?

Die Hilfe der Hebamme deckt das Neugeborene mit Blättern zu und hält es an der Brust warm. Unterdessen wasche ich die Gebärende mit frischem Wasser. Dann gibt man das Kind seiner Mutter, damit sie ihr die Brust geben kann.

Gab es auch manchmal Komplikationen ?

Es gibt Frauen, bei denen sich die Milchproduktion verzögert. In solchen Fällen umwickelt man den Körper mit einem Seil von Ndika. Das ist eine Liane aus dem Wald, die viel Flüssigkeit absondert, nachdem sie geschnitten wurde. Diese Flüssigkeit dient uns bis heute als Getränk, besonders, wenn man während der Jagd kein gutes Wasser findet. Dieser Saft hat auch heilende Wirkung.

Und man kann auch die Liane Makulupege nutzen. Deren Saft ist milchig, so stimuliert sie schnell die Milchproduktion der ‚trockenen‘ Frauen.

Eine andere Komplikation betrifft die Frauen, die lange in Wehen liegen, ohne zu entbinden. Man macht ihr einen Sud von Too- oder Musuku-Rinde, oder auch vom Mbena für ihre Intimwaschung. Diese Praktik haben wir bis heute beibehalten.

Wie bereitet man diesen Sud ?

Man nimmt 3 oder 4 handgroße Rindenstücke. Die kocht man auf und lässt es dann auf eine laue Temperatur abkühlen. Nach dem Abgießen ist das Produkt fertig. Das Waschen mit dem Too erzeugt eine rasche Entspannung der Muskeln, die das Kind im Mutterleib fest halten.

Wenn die Schmerzen nach der Entbindung anhalten, wird das gleiche Produkt genutzt und die Frau macht Intimwaschungen am Morgen und am Abend. Drei bis vier Tage genügen, um das Problem zu lösen.

Eine andere Komplikation betrifft das Kind, das das Neugeborene an der Mutterbrust ersetzt. Es darf nicht das Essen mit seiner Mutter teilen, sonst bekommt es Würmer.

Woran erkennt man diese Komplikation ?

Der Leib des Kindes macht oft viele Geräusche. Das Kind erscheint ständig müde und verliert an Farbe. Es ist wie dieses Kind dort, das Zeichen von Unterernährung zeigt. In letzter Zeit werden die Kinder unkontrollierbar. Deshalb werden die Kinder, die daran leiden, immer zahlreicher.

Wäscht sich dieses Kind die Hände vor dem Essen ?

Warum stellst du diese Frage nicht an die Eltern ? Der Vater ist unterwegs um im Wald Honig zu finden, den er verkaufen kann, aber seine Mutter kann gut auf die Frage antworten.

Die Mutter, die zugehört hat, reagiert direkt :

Wenn man fertig ist ein wenig Maniokbrei zu kochen, ist es nicht möglich, die Kinder zu bitten noch zu warten, bis er abgekühlt ist. Sie machen sich sofort daran zu essen, selbst wenn sie sich dabei verbrennen. Haben sie dann noch Zeit, sich die Hände zu waschen ?

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