5. Tag: Gottesdienst in der französichen Kapelle in Goma
Dieser Teil Gomas ist nicht mehr wiederzuerkennen. Wo sich früher Wildnis erstreckte befinden sich heute Häuser über Häuser. Inmitten dieses Gewimmels befindet sich auch das neue Zentrum für Lehrerfortbildung. Kanyororo meinte: „Das ist das neue CEREP. Das was aus deinem Projekt und deiner Arbeit geworden ist.“ Seminarräume, Mensa und Zimmer – Wirklich eindrucksvoll. Vor allem als Kanyororo mir erzählte wie er die Mittel so eingeteilt hat, dass man sofort noch eine Etage mehr bauen konnte. Ähnliches hat er ja auch in Tandandale gemacht. Die neue Etage ist zwar noch nicht ausgestattet, aber die erste funktioniert. Irgendwie scheint er immer damit durchzukommen. Für mich war das aber auch ein Zeichen, dass meine Arbeit Früchte getragen hat.
Der Gottesdienst war interessant. Man merkte nicht, wie die Zeit verstrich und er war auch gut strukturiert und organisiert. Wir konnten uns vorstellen und ein Lied singen. Feuer und Flamme in Kiswahili. Ich hatte es extra übertragen. Es kam sagenhaft gut an. Hinterher kamen alle Leute noch zu uns zum Händeschütteln und darunter auch einige Bekannte.
Leider wurde mein Akku dabei leer und ich habe ihn wohl verloren. Nun muss ich mit dem Ersatzakku auskommen. Das ärgert mich, aber etwas anderes hat mich viel stärker bewegt:
Ein bewegendes Zeugnis
Nach dem Gottesdienst sprach ich noch mit einigen Leuten. Darunter auch eine ehemalige Schülerin von mir, deren Zeugnis mich so beeindruckt hat, dass ich es komplett aufgenommen habe.
Sie erzählte, wie sie Christ geworden ist, unter anderem auch durch mich. Nun hat sie sich für eine Schulseelsorge eingesetzt, neben der Arbeit der Aumoniers an den Schulen. „Lehrer und Seelsorger, das passt nicht zusammen!“ Das ist richtig, vor allem hier im Congo.
Sie scheint es geschafft zu haben, weitere Leute davon zu überzeugen und jetzt gibt es dafür richtige Stellen.
„Viele Kinder sind traumatisiert. Etliche haben Depressionen, manche wollen sich das Leben nehmen. Mädchen haben Probleme, weil sie schwanger sind und noch vieles mehr. Die Kinder sind im Krieg aufgewachsen, kennen nichts anderes und wenn man ihnen nicht hilft, werden sie später weitere Probleme machen.“ So in Kurzform ihr Bericht. Er hat mich sehr angerührt. Vor allem, als sie einige Schicksale schilderte standen mir die Tränen in den Augen
Es ist einfach unglaublich, was die Leute so alles geschafft haben, trotz der ständigen Bedrohung und der unsicheren Lage. Jede Nacht werden irgendwo Leute getötet und im Flüchtlingslager werden morgens die Frauen registriert, die vergewaltigt worden sind.
Und in dem allen werden junge Leute ausgebildet, eine neue Pädagogik angestrebt und neue Ideen umgesetzt.
Nachmittags waren Ingo und Matthias noch in der Stadt und ich habe mich mit einiger Organisation beschäftigt. Es scheint nicht so einfach zu sein. Sie hatten da einige Auseinandersetzungen mit Straßenjungen, wie Ingo berichtet.
Abends kam dann Karafuli, der Universitätschef um uns zum Essen abzuholen. Seine Frau Muteho kannte ich noch aus Katwa und ich habe mich sehr gefreut, sie zu sehen. Das traditionelle Essen wurde von uns sehr gut aufgenommen, zudem es noch gut schmeckte.
Als unser Gespräch auf das Bildungssystem kam, zitierte ich die belgische Position zu der Bildung für Afrikaner: „Die Afrikaner sind zu höherer Bildung nicht fähig. Es reicht, wenn sie Schreiben und Rechnen lernen um Anweisungen auführen zu können. Vor allem nicht ist ein Afrikaner nicht in der Lage, eine Universität zu leiten.“ Meinte ich zu Karafuli. Wir haben herzhaft gelacht. Tatsächlich gab es vor 50 Jahren nach der Unabhängigkeit kaum Sekundarschulen oder Universitäten für Afrikaner. Die Belgier sind gegangen und es gab keine Schwarzen, die sie ersetzen konnten. Aber dafür haben sie inzwischen viel erreicht. Trotz der Mobutu-Herrschaft und trotz des Krieges.
Was ist das für ein herrliches Land! Welche Möglichkeiten! Welchen Reichtum gibt es hier! Nur wird er von dummen Menschen vergeudet. Die Wälder auf der Halbinsel im Kivusee sind stark abgeholzt. Andernorts Menschen vertrieben und wenn Reisen nicht möglich sind ist auch die Möglichkeit zu Tourismus sehr eingeschränkt. Kein Besuch auf den Vulkan, keine Gorillas bei Rutshuru, kein Virunga-Park, in dem es sowie so nur noch wenige Tiere gibt. Die Zahl der Antilopen und Nilpferde ist stark geschrumpft, nachdem die Rebellen sie so gejagt haben.
Und so eine Afrika-Rallye ist schon gar nicht möglich.
Dazu werden die Menschen, die als Maj-Maj oder in anderen Rebellengruppen aktiv waren, die Verletzungen werden ihnen ein Leben lang folgen. So bin ich heute immer hin und her gerissen zwischen Freude und Trauer, bzw. Betroffenheit.
Ich habe heute im Gottesdienst im Stillen für die ganzen Rebellen, Regierungssoldaten und Monuk gebetet. Bitte schließt euch an.